Es gibt viele Fremdheiten in der Schweiz.
Ich bin Österreicher. In meinem Ausländerausweis C steht zu meiner Freude: Verbleib bei schweizerischer Ehefrau. Ich habe einen guten Beruf und Freunde hier. Schweizerdeutsch spreche ich nicht, aber ich verstehe es problemlos. Ich fühle mich mit der Schweiz verbunden. Ich bin keiner der Expats, die hier sind – und doch nicht hier leben, schmerzlos fremd in einer Blase. Am hiesigen Leben nehme ich im Gegensatz zu jenen teil. Heimisch fühle ich mich dennoch nicht, aber zuhause. (Und in Österreich? Da sehe ich mich nach mehr als zwanzig helvetischen Jahren als Ausheimischen.) An beiden Orten trage ich den anderen Ort mit mir. Mich als Fremden zu bezeichnen, fände ich kokett, auch wenn ich mich nie als Schweizer fühlen könnte. Zu stark sind meine ersten Erlebnisse österreichisch imprägniert, zu fest bin ich geprägt vom österreichischen Deutsch. Schön fremd bin ich hier. Mein Fremdeln ist produktiv, weil erkenntnisfördernd. Wer ganz drinsteckt, sieht wenig. Darum beneide ich niemanden.
Ich tauge also nicht zum Paradefremden. Nicht einmal Österreicherwitze muss ich mehr über mich ergehen lassen. Dass hier manches anders ist als dort, dass Ohr und Magen und Witz manchmal Sehnsucht nach Austria haben – geschenkt. Ich lebe gut hier.
Wer aber ist wirklich fremd in der Schweiz? Es gibt Hierarchien des Fremdseins. Mir scheint eine andere Frage wichtiger: Welche Menschen werden fremd gemacht in der Schweiz? Fremder, als sie sind?
Das sind die Habenichtse aus armen Ländern, die uns – auch die privilegierten Fremden – durch ihre Existenz daran erinnern, dass nichts gilt, wer nichts hat. Fremdsein ist auch eine ökonomische Kategorie.
Es gibt viele Fremdheiten in der Schweiz. Das ist die härteste.