Am Wiesenmarkt treffen sich alte Bekannte. Ehemalige Nachbarn und Arbeitskollegen, Spielkameraden und Schulfreunde. Sie mustern einander heimlich und lesen am anderen ihr eigenes, wahres Alter ab. Die Schulfreunde sehen unter dem Erwachsenengesicht das Kinderantlitz und spüren irgendwo im Körper die Energie von damals wie einen Phantomschmerz oder eine Phantomfreude. Viele Gefühle verknäueln sich: eine eigentümliche Zärtlichkeit für den ehemaligen Spielkameraden, jähe Wechsel von Vertrautheit zu Fremdheit, überspielt durch Überschwänglichkeit, dann Stockungen und plötzliche Flauten im Gespräch, die Zunge ist am Anschlag, die Augen suchen nach einem Ausweg, die Hand greift zum Glas. Zwischen dem Weggegangenen und dem Hiergebliebenen verläuft eine feine Linie. Beide beschwören die Besonderheit des Städtchens und des Wiesenmarkts, aber den Hiergebliebenen beschleicht ein Zweifel, ob er nicht steckengeblieben ist, hier, während der andere was – oder wenigstens was anderes – geworden ist, dort, und er nicht. Und der Weggegangene fragt sich, wer oder was aus ihm wohl geworden wäre, wäre er geblieben – und wäre er nicht besser geblieben? Manchmal beneidet er die Hiergebliebenen, die Verankerten, um die scheinbare Selbstverständlichkeit ihres Da-Seins. Aber würde er das überhaupt wollen? Und bisweilen durchkreuzen sich ihre Sehnsüchte, und sie möchten hier wie dort sein, da und fort, und so sitzen sie nebeneinander, fremdvertraut, und bestellen das nächste Bier.