Mit Wiesenmarktskizzen von Werner Berg

buch_kettenkarussell
Deutsch, Slowenisch (Wendebuch)
Gebundene Ausgabe, 70 Seiten
EUR 17.40 / CHF 25.50
ISBN 978-3-99029-041-5

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Es ist ein stiller, einsamer Protagonist, dem man bei seinem Herumstreifen am Wiesenmarkt folgt, und so ist auch der Text selbst: trotz des Geschreies, Gelächters, Gebimmels, trotz des karnevalesken Aufeinandertreffen von Menschen und Tieren in der künstlichen Parallelwelt des Jahrmarkts bleibt der Erzählton wehmütig, ruhig, in sich gekehrt. Der Text konzentriert sich auf das Innenleben des Helden, der aufmerksam beobachtet, viel empfindet, und (noch) nicht genug von sich selbst und seiner Umgebung versteht. Das macht die sanfte Sogwirkung des Textes aus. Ein schöneres, traurigeres Denkmal als diese in zwei Sprachen abgedruckte Erzählung mit den Skizzen von Werner Berg hätte der Bleiburger Wiesenmarkt sich kaum wünschen können.

— Elena Messner, 13. März 2013, Literaturhaus Wien

Auszeichnungen

Wettbewerbstext beim Ingeborg-Bachmann-Preis 2012.

Stimmen zum Buch

Hugo Ramnek verwebt in die Erzählung die unsichtbaren Trennlinien, die zwischen der slowenischen und der deutschsprachigen Bevölkerung bestanden und macht sie sichtbar. Seine Beschreibungen der Lustbarkeiten – von Autodrom bis zum Karussell – und des Umgangs der Jugendlichen beider Sprachen untereinander, freundschaftlich und konkurrierend zugleich, sind voll sprachlicher Wendungenund Metaphern. — Der Standard

Kärnten zweisprachig
Der in Zürich lebende Autor Hugo Ramnek wuchs im kärntnerischen Bleiburg auf, eine zweisprachig österreichisch-slowenische Stadt vier Kilometer von der Grenze entfernt. Und so liest sich dieses Buch von der einen Seite als «Kettenkarussell», von der anderen als «Semanji vrtiljak». Zudem ist die Erzählung, die Ramnek auch im letzten Jahr zum Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt vorlas, mit kräftigen Bleistift-Skizzen von Werner Berg illustriert. Beide Kunstformen zeigen den alljährlich stattfindenden Wiesenmarkt als wildes, quirliges, hektisches Ereignis. Nach einer kurzen Einleitung taucht Ramnek direkt ein in das flirrend-erotische Fest, auf dem sich die Ereignisse so hektisch überstürzen wie die Autoscooter aufeinander knallen oder sich das Kettenkarussell dreht. Mit seiner Echse in der Tasche trifft der Jugendliche auf das schöne Mädchen, den Albinojungen und Milan. Sie alle sind von jenseits der Wiese, «verbohrte Slowener», wie die Leute sagen. Souverän übersetzt Autor Hugo Ramnek die Feststimmung und den schwelenden Rassismus in Sprache. — Valeria Heintges

Leseprobe

Der erste Wagen ist auf der Wiese! Seit der kleine Albino ihm die Worte zugerufen hat, gibt die Kellerechse keine Ruhe mehr. Ein Fort wächst heran außerhalb des Mäuerchens, das einst Stadtwall war. Er will nur mehr eines: hinaus auf die Wiese, wo sich Marktstände und Festzelte und Spaßbahnen ausbreiten, wo Lastwagen und Traktoren, Fahrende und Tagelöhner, Wirte und Vereine mit Zelten und Buden und der allgegenwärtige Marktmeister einen Traum aus Kulissen aufbauen, nüchtern und ohne Hast.

Wie vor einem Wunder stehen die Kleinstädter und staunen, was tagsüber und doch wie über Nacht hinzugekommen ist.

Drei Tage vor Festbeginn rollt die Tierschau an. Die Echse fiebert. Das halbe Städtchen schaut zu, wie die Wiesenstadt ihr Urwaldreservat bekommt. Auch vom Dorf auf der anderen Seite der Wiese strömen Menschen herbei. Auf dem Weg zur Tierschau begegnet er der Mutter des Albinos. Während sie sein Zimmer macht, singt sie slowenische Lieder. Das Kellertier hinterlässt nachts Spuren. Hat die Aufräumerin etwas bemerkt?

Die Eltern dürfen davon nichts ahnen. Er grüßt und wird rot. Zwei Mädchen aus seiner Klasse stehen kichernd bei einem Wärter, eine Schlange windet sich um den Arm mit dem tätowierten Bikinigirl. Er ruft ihnen zu, für sie ist er Luft. Die Wildnis ist im Käfig und schläfrig. Neben ihm taucht der Albino auf und raunt ihm die Worte zu, welche der Ausrufer während der Festtage durch das Megafon plärren wird: Das älteste Krokodil der Welt.

Wiesenmarktsamstag

Am Samstag ist das Feuerwerk. Alle stehen dicht gedrängt in der Allee, dem Grenzstreifen zwischen Städtchen und Wiesenstadt. Er ist allein hingegangen; sein bester Freund hat seit Kurzem eine Freundin. Wie die erste Rakete am Himmel explodiert, lehnt das Mädchen vor ihm den Kopf an seine Brust. Stets von Neuem schießen Granaten in die Höhe, zerplatzen in der Luft mit scharfem Knallen und schweben als Allfarbenfall hernieder. Sie senkt ihren Hinterkopf auf seine Brust, schaut in das bunte Schwirren über ihr und hebt ihn wieder, sobald die Erleuchtung vorbei ist. Auch er lehnt sich an jemanden hinter ihm, ganz leicht nur, er spürt den männlichen Körper deutlich undeutlich, er wittert den Geruch. Während ein Blindgänger kläglich im Nachthimmel verzischt, kriegt er einen Schlag von hinten gegen die Kniekehle und knickt fast ein. Neben ihm steht der Albinobub. Schon pfeifen neue Raketen in die Höhe und zersprengen sich elegant und rottönend. Die Haare des Mädchens entflammen, sie lehnt sich zurück, er beugt sich über ihr gerötetes Gesicht, der schiefe Schneidezahn, die tiefen Augen, sie! Sie schauen einander an, einen Augenblick nur, er spürt ein hauchfeines Luftwirbelchen zwischen ihrem und seinem Gesicht, eine Atemberührung, die Echse streckt sich, er sieht ein Rot, in das er sinken möchte, und schon verblassen die fallenden Farben über der Wiese, ihr Gesicht verlöscht, der Kopf hebt sich wieder weg und nur der fremdvertraute Geruch von hinten bleibt in der Lichtlosigkeit übrig. Und wie die ganze Batterie von Schlussraketen knatternd in die Luft gejagt wird, legt sie ihren Kopf an seine Brust und lässt ihn dort ruhen, bis der Farbenhagel vorbei ist. Sie schaut in den Himmel und er in ihr Gesicht. Wieder spürt er das Luftzittern von Mund zu Mund. Nachdem der letzte Lichttropfen verglüht ist, kippt der Grenzberg in die Dunkelheit zurück, und es wird für einen Augenblick totenstill und stockfinster in der Doppelstadt. Sein Herz pocht gegen ihr Haar und sein Kopf senkt sich wie von selber. Er ahnt ihren Atem, riecht ihr Haar. Er wird nach vorne gedrückt. Das Kellertier so nah bei ihr. Der Geruch von hinten. Die Wangen siedend heiß. Näher. Weg. Nein. Ja. Sie. Die Echse. Ja. Nein. Ja. Nicht rühren.

buch_kettenkarussell
Deutsch, Slowenisch (Wendebuch)
Gebundene Ausgabe, 70 Seiten
EUR 17.40 / CHF 25.50
ISBN 978-3-99029-041-5

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